Wer war Woodrow Wilson?
Ein Friedensstifter – aber auch ein Freund der Sklaverei
Die Historiker sind zwiegespalten, wenn es um die Beurteilung des 28. Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika geht. Einerseits hat sich Thomas Woodrow Wilson um den Weltfrieden verdient gemacht. Mit seinen vierzehn Punkte umfassenden Thesen schaffte er die Basis für eine künftige Staatenordnung.
Sicherheit durch Demokratie – das war im Ersten Weltkrieg eine Forderung dieses Mannes, der sich als eine Art Architekt des Zusammenlebens der Völker verstand. Seine Grundsätze, die er am 8. Januar 1918 in einer programmatischen Rede vor beiden Häusern des amerikanischen Kongresses offenlegte, führten schließlich zur Gründung des Völkerbundes und damit zum Vorläufer der Vereinten Nationen. Doch die Biographie des Präsidenten Wilson verrät auch eine ausgeprägte Neigung zum Rassismus. Und so bewegte sich das Leben des Thomas Woodrow Wilson im Gestrüpp von Widersprüchen.
Steckbrief: Woodrow Wilson
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Name: Thomas Woodrow Wilson
- Geburtsdatum: 28. Dezember 1856
- Geburtsort: Staunton, Virginia
- Ehepartnerin:Ellen Louise Axson (verh. 1885-1914), Edith Bolling Galt (verh. 1915-1924)
- Kinder: Eleanor Wilson McAdoo (Tochter), Margaret Woodrow Wilson (Tochter), Jessie Woodrow Wilson Sayre (Tochter)
- Eltern: Joseph Ruggles Wilson, Jessie Janet Woodrow
- Geschwister: Joseph Ruggles Wilson Jr. (Bruder), Anne E. Wilson How (Schwester), Marion Wilson (Schwester)
- Sternzeichen: Schütze
- Sterbedatum: 03. Februar 1924
- Sterbeort: Washington, D.C.
Kindheit und Jugend
Ein promovierter Theologe in einer Gemeinde der Presbyterier
In der Kleinstadt Staunton, im Tal des Shenandoah Rivers, der die Täler zu Füßen der Appalachen entwässert, kam Thomas Woodrow Wilson am 28. Dezember 1856 zur Welt. In der eher provinziellen Atmosphäre dieses Fleckens im Bundesstaat Virginia erfreute sich der spätere Präsident der USA einer unbeschwerten Jugend. Sein Vater Joseph Ruggles Wilson bekam dort einen Job als Pastor der presbyterianischen Gemeinde. Er war promovierter Theologe, hatte jedoch keinerlei Skrupel, in seinem Haus in Staunton Sklaven zu beschäftigen. Wilsons Mutter Jessie Janet stammte aus dem Norden Englands, aus der Grafschaft Cubria in der Nähe der schottischen Grenze. Die Wilsons siedelten im Jahr 1851 in den Südstaaten an und machten keinen Hehl daraus, dass sie mit den Konföderierten sympathisierten.
Der Einmarsch der Unions-Soldaten im Amerikanischen Bürgerkrieg
„Tommy“ nannten die Wilsons ihren Sprössling, was dem Thomas Woodrow Wilson offensichtlich nicht gefiel, denn der entschied sich eines Tages, seinen Vornamen Thomas zu streichen. Er wurde als drittes von vier Kindern geboren und zog mit seinen Eltern in sehr jungen Jahren von seinem Geburtsort Staunton nach Augusta im Bundesstaat Georgia. Seine frühesten Kindheitserinnerungen waren verbunden mit dem Einmarsch der Unions-Soldaten und dass seine Mutter Verwundete des Bürgerkrieges in einem Krankenhaus pflegte und betreute. In Augusta fühlte sich die Familie Wilson einige Jahre später nicht mehr wohl, weil die Bevölkerung nach den Verwüstungen des Krieges unter Armut litt. Ihre nächsten Stationen waren Columbia in South Carolina und Wilmington in North Carolina. Reverend Wilson wirkte als Pastor für mehrere Gemeinden und unterrichtete Religion am Columbia Theological Seminary.
Eine religiöse Familie und ein Vater, der seine Kinder unterrichtete
Woodrow Wilsons Vater war – auch von Berufs wegen – beseelt vom Glauben an die Vorsehung. In seinem Herrgott erblickte er einen fürsorglichen Lenker allen menschlichen Schicksals. Das tägliche Gebet war das Bedürfnis aller in dieser religiös ausgerichteten Familie, und an der Rechtfertigung der Abspaltung des Südens von der Union hegte niemand einen Zweifel. In diesem Geiste wuchs Woodrow Wilson auf, und obwohl er unter einem gestörten Sehvermögen litt und auch von einer Legasthenie geplagt wurde, spielte er mit Begeisterung Baseball. In diesen Jahren gab es im Süden Amerikas nur wenige öffentliche Schulen, so dass Wilson Junior in erster Linie durch seinen Vater unterrichtet wurde. Dieser konzentrierte sich dabei auf Religion, britische Geschichte und Literatur.
Ausbildung und Studium
Eine angeschlagene Gesundheit und schulische Defizite
Als Woodrow Wilson 16 Jahre alt war, schrieb er sich am Davidson College vor den Toren von Charlotte in North Carolina ein. Dies war eher ein Experiment, denn in den meisten Fächern war er unzureichend ausgebildet. Mathematik und Griechisch verabscheute er – dagegen zeichnete er sich in Latein und in Englisch aus. Doch schon nach einem Jahr verließ er die Schule, weil er unter einer angeschlagenen Gesundheit und wohl auch unter Heimweh litt. Seine schulischen Defizite holte Woodrow Wilson später am College of New Jersey nach. Es folgten Studiengänge der Rechtswissenschaft an der Princeton University und an der Universität von Virginia in Charlottesville. Nach einem dreijährigen juristischen Praktikum traf er die Entscheidung, sich beruflich als Pädagoge zu versuchen. 1886 promovierte er zum Doktor der Philosophie und wechselte als Lehrer zum Bryn Mawr College nach Pennsylvania.
Für eine Stärkung der Exekutive gegenüber der Legislative
Geschichte und Politikwissenschaften wurden zur Leidenschaft des Woodrow Wilson, der zwischenzeitlich zwar in einer Anwaltskanzlei arbeitete, das Leben als Jurist jedoch überaus langweilig fand. Stattdessen drang er in seiner Freizeit tief ein in die britische Geschichte und verfasste Aufsätze für das Nassau Literary Magazine. In seiner Dissertation hatte er im Übrigen die Dominanz der amerikanischen Regierung im Kongress und die schwache Präsidentschaft nach Ende des Bürgerkrieges mit Kritik überzogen. Er war schon in jungen Jahren ein Befürworter des britischen Parlamentssystems und trat in seinem Lande für eine Gewaltenteilung zwischen dem Präsidenten und dem Kongress ein. Die Stärkung der Exekutive gegenüber der Legislative sollte Jahre später während seiner Präsidentschaft zu einem seiner Leitlinien werden.
Woodrow Wilson schwärmte: „Sie hat herrlich lachende Augen…“
Kurz vor Ende seines Studiums trat der 28-jährige Wilson vor den Traualtar. Er heiratete die drei Jahre jüngere Ellen Louise Axson in Savanna im Bundesstaat Georgia. Auch sie stammte aus einer religiösen Familie, denn ihr Vater war ebenfalls Presbyterianer. Ellen Louise war eine talentierte Künstlerin, und Zeitzeugen sagten ihr ein ausgeprägtes soziales Gewissen nach. Woodrow Wilson kannte seine spätere Frau seit gemeinsamen Kindertagen. Als er sie viele Jahre später traf, schwärmte er: „Sie hat herrlich lachende Augen…“ Inzwischen hatte der Jungverheiratete eine Stelle am Bryn Mawr College angetreten. Allen Louise übte stets einen starken Einfluss auf ihren Ehemann auf und ermutigte ihn auf dem Weg ins Weiße Haus, sich für politische und wirtschaftliche Reformen einzusetzen.
Professor an der Universität und Autor geschichtlicher Bücher
In den späten achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts unterrichtete Wilson in Pennsylvania politische Ökonomie und öffentliches Recht. Er hatte sich längst auf diesem Gebiet einen Namen gemacht, nachdem er schon sehr früh einen Klassiker der amerikanischen Politikwissenschaften veröffentlichte. An der Wesleyan University in Middletown/Connecticut unterrichtete er seine Studenten als Professor und schrieb nebenbei neun weitere Bücher. Unter ihnen fanden die Biographie über den früheren amerikanischen Präsidenten George Washington und eine fünfbändige Geschichte der Vereinigten Staaten ein breites Echo. Als Präsident dieser Universität betrieb er ab 1902 Reformen und verlieh der historischen Lehranstalt ein modernes und liberales Gewand. 1910 vollzog sich für ihn der Schritt in die Politik, nachdem er von Repräsentanten der Demokraten ermuntert wurde, für den Gouverneursposten zu kandidieren.
Politischer Aufstieg
Ein ehrlicher Makler und ein Schock für die Profis der Demokraten
Die Vertreter der New Jersey Democratic Party waren zunächst überrascht, als Woodrow Wilson ihnen eröffnete, er sei nur dann zu einer Kandidatur bereit, sofern diese „unverbindlich“ sei. Was der Professor damit sagen wollte, blieb ihnen weitgehend verschlossen, doch sie stimmten zu, da sie Wilson für einen ehrlichen Makler hielten. Außerdem waren die Parteiführer davon überzeugt, dass dieser in der Politik völlig unerfahrene Mann hinter den Kulissen leicht zu lenken sei. Doch sie hatten sich offenbar getäuscht, denn Wilson hatte an Profil und Überzeugungskraft gewonnen. In der Öffentlichkeit erwarb er sich den Ruf eines realistischen Reformer. Ein politisch naiver Neuling war er also nicht, und er schockte die Führer der Demokraten, indem er seine Unabhängigkeit von ihnen erklärte. Das waren die Politik-Profis in New Jersey nicht gewohnt.
Ein Sieg, der die Führer der Demokraten nicht glücklich machte
Wilson gewann die Wahl zum Gouverneur gegen den Republikaner Vivian M Lewis deutlich. Am Tag der Abstimmung stellte sich heraus, dass die Einwohner von New Jersey deshalb Sympathien für den Kandidaten der Demokraten empfanden, weil dieser bislang kein politisches Amt ausgeübt hatte. Sie honorierten dessen Wahlversprechen, dass er sich in seiner Amtsführung nichts durch die Parteiführung diktieren lassen werde. Woodrow Wilson gewann die Gouverneurs-Wahl mit einem Vorsprung von nahezu 50.000 Stimmen. Etliche seiner Parteifreunde hatten allerdings trotz des Sieges schon bald bereut, diesen Mann vorgeschlagen zu haben. Denn der paukte Reformen durch, die den Polit-Profis nicht behagten. Unter anderem ein Gesetz, das Parteivorwahlen für alle gewählten Beamten des Staates vorschrieb.
Abschied von fragwürdigen Praktiken und eine tägliche Pressekonferenz
Die bis zu Beginn des 20. Jahrhundert üblichen Praktiken, dass sich in den Vereinigten Staaten vor wichtigen Wahlen niemand darüber aufregte, wenn die Kandidaten fragwürdige Abschlüsse und Ausgaben bei ihren Kampagnen tätigten, war Woodrow Wilson ein Dorn im Auge. Mit einem neuen Gesetz bereitete er dem ein Ende. Außerdem unterstützte er die Verabschiedung des sogenannten „Arbeitnehmer-Entschädigungsgesetzes“. Somit musste der Staat die Familien von jenen Arbeitnehmern wirtschaftlich unterstützen, die an ihrem Arbeitsplatz verletzt oder gar getötet wurden. Und noch etwas war völlig neu in der Amtsausübung dieses Gouverneurs: Erstmals in der Geschichte des Bundesstaates New Jersey fanden tägliche Pressekonferenzen statt. Mit all‘ diesen Maßnahmen und Veränderungen stützte Wilson seinen Ruf als einer der fortschrittlichsten politischen Führer der Nation.
Aufnahme in die älteste „Ehrengesellschaft“ der Vereinigten Staaten
Im Jahr 1911 wurde Woodrow Wilson in die renommierte American Academy of Arts und Sciences gewählt. Das war eine herausragende Ehrung für den nunmehr 55-jährigen Gouverneur von New Jersey, denn bei dieser Academy handelte es sich um die angesehenste und älteste „Ehrengesellschaft“ der Vereinigten Staaten. Sie wurde 1870 gegründet und bekam ihren Stammsitz in Cambridge/Massachusetts. Mitgliedschaften wurden ausschließlich Persönlichkeiten aus Kunst und Wissenschaft angetragen. Zum Zeitpunkt seiner Aufnahme in diesen elitären Kreis führte Wilsons wachsende Popularität dazu, dass er im Vorfeld der amerikanischen Präsidentschafts-Wahlen häufiger als möglicher Kandidat der Demokraten genannt wurde. Und dies, obwohl seine Reformen in der Parteiführung auf wenig Gegenliebe stießen.
Erst der 46. Wahlgang brachte für Wilson die Entscheidung
Doch seine Mitbewerber um das höchste Amt im Staate waren politische Schwergewichte. Zu diesem Kreis der Demokraten, die sich auf die Präsidentschafts-Wahl des Jahres 1912 vorbereiteten, zählten vor allem Champ Clark, der Sprecher des Repräsentantenhauses aus Missouri, Judson Harmon, der Gouverneur von Ohio und Thomas R. Marshall, der Gouverneur von Indiana. Doch beim Konvent der Demokraten in Baltimore kam es letztlich zu einem Direktduell zwischen Clark und Wilson. Es folgte ein Wahl-Marathon, der erst im sage und schreibe 46. Durchgang beendet war, weil keiner der beiden Bewerber bis dahin die notwendige Zweitdrittelmehrheit erreichte. Champ Clark hatte fast immer einen Stimmen-Vorsprung, doch als der dreimalige Präsidentschaftskandidat William Jennings Bryan sich für Wilson ins Zeug legte, schwenkten viele Delegierte um. Zu seinem „Running Mate“, dem möglichen Vizepräsidenten, bestimmte Wilson den bis dahin chancenlosen Thomas Marshall.
Ein Dreikampf im Jahr 1912 um das höchste Amt in den USA
Beim Urnengang am 5. November 1912 kam es zu einem Dreikampf, denn neben Wilson stellten sich der Amtsinhaber William Howard Taft und der Ex-Präsident Theodore Roosevelt zur Wahl. Roosevelt war für die Progressive Party ins Rennen gegangen. Dabei handelte es sich um eine Organisation, die sich von den Republikanern gelöst hatte. Das war letztlich ein Glück für Woodrow Wilson, denn so genügte ihm ein Stimmenanteil von 41,8 Prozent um 28. Präsident in der Geschichte der Vereinigten Staaten zu werden. Er hatte immerhin vierzig der 48 Bundesstaaten für sich gewinnen können und war seit Andrew Johnson im Jahr 1865 der erste Präsident, der aus den ehemaligen Konföderierten Staaten des Südens stammte.
Präsidentschaft (1913 – 1921)
Ein Schub an Gesetzen: Die Kinderarbeit wurde verboten
Nach seinem Amtsantritt erläuterte Woodrow Wilson sein Programm. Er nannte es „Neue Freiheit“ und verstand darunter jenen Individualismus, der die Rechte des Staates betont. Durch den Kongress manövrierte der neue amerikanische Präsident mehrere wichtige Gesetze. Er stufte die Einkommensteuer der Vereinigten Staaten neu ein und verschaffte der Wirtschaft mit der Verabschiedung des „Federal Reserve Acts“ eine dringend benötigte elastischere Geldmenge. Außerdem verbot er mit dem neuen Kartellrecht unlautere Geschäftspraktiken. Gegen Ende seiner ersten Amtszeit folgte ein weiterer Schub an Gesetzen. Eines verbot die Kinderarbeit, ein anderes beschränkte die tägliche Arbeitszeit von Eisenbahnern auf acht Stunden. Seine Politik trug vor allem die Züge sozialer Reformen.
Ellen Exson Wilson – der Tod der „First Lady“ im Weißen Haus
Während seiner ersten Amtszeit als Präsident der Vereinigten Staaten erlitt Woodrow Wilson einen Schicksalsschlag. Seine Frau Ellen Axson Wilson, die ihm die Töchter Margaret, Jessie und Eleanor geschenkt hatte, starb am 6. August 1914 an den Folgen einer Nierenkrankheit. Sie hatte sich seit ihrem Umzug ins Weiße Haus von Washington den Ruf erworben, eine exzellente Gastgeberin zu sein. Legendär waren die von ihr initiierten Abendessen. Ellen Exson Wilson war nach Letitia Tyler im Jahr 1842 und Caroline Harrison im Jahr 1892 die dritte „First Lady“ der USA, die im Weißen Haus starb. Sie wurde in dessen Ostraum aufgebahrt und in ihrer Heimat Georgia begraben. Die letzten Worte, die sie zu ihrem Arzt gesagt haben soll, lauteten: „Pass‘ gut auf meinen Mann auf.“
Eine neue Frau an seiner Seite und eine stille Hochzeit in Washington
Ein Jahr nach dem Ableben seiner Frau heiratete Woodrow Wilson erneut. Seine Wahl fiel auf die 43-jährige Witwe Edith White Bolling Galt. Diese stammte aus einer aristokratischen Familie in Virginia, war das siebte von elf Kindern und studierte später Musik. In Washington hatte sie einen Geschäftsmann namens Norman Galt kennengelernt und ihn 1896 geheiratet. Nach zwölfjähriger Ehe starb ihr Mann, der bis dahin ein Unternehmen, das mit Schmuck handelte, führte. Woodrow Wilson, der noch immer unter dem Verlust seiner ersten Frau litt, heirate Edith am 18. Dezember 1915. Da er in der amerikanischen Presse Kritik einstecken musste, weil er so zügig nach dem Tod seiner Frau erneut heiratete, fand die Zeremonie nicht im Weißen Haus statt, sondern im Privathaus der Wilsons.
Rückfall der Geschichte mit einer aufkeimenden Rassentrennung
Die Geschichte der amerikanischen Präsidenten weist Woodrow Wilson heute als einen Politiker aus, dessen Rassenpolitik Anlass zu heftiger Kritik gibt. Denn er unterstützte die Südstaaten der USA in ihrem Anliegen einer Festigung der geltenden Rassengesetze. Trotz zahlreicher Proteste führte er die strikte Trennung von Schwarzen und Weißen im Militär und bei der Besetzung der Bundesbehörden wieder ein. Dabei war dies seit dem Ende des Amerikanischen Bürgerkriegs verboten. Historiker haben ermittelt, dass Wilson während seiner Amtszeit von den insgesamt 17 afroamerikanischen Beschäftigten in leitenden Positionen bei den Behörden alle bis auf zwei entließ. Für diese wurden danach separate Toiletten und Kantinen eingerichtet. In einigen Büros wurden sogar Stellwände aufgebaut, um die dunkelhäutigen Bediensteten von den weißen Mitarbeitern abzuschirmen. Außerdem beendete Wilson die bis dahin übliche Praxis, die Botschaften von Haiti und der Dominikanischen Republik mit Diplomaten zu besetzen, die über afroamerikanische Wurzeln verfügten. Die aufkeimende Rassentrennung war ein Rückfall der Geschichte.
Sympathien für den Ku-Klux-Klan und Witze über Schwarze
Seine Haltung in der Rassentrennung legte sich wie ein dunkler Schatten auf die geschichtliche Einschätzung dieser Präsidentschaft. Wilson hatte keinerlei Skrupel, während der Sitzungen seines Kabinetts rassistische Witze über Schwarze zum Besten zu geben. Außerdem wurden Wilson intensive Sympathien für die Bewegung des Ku-Klux-Klan nachgesagt. Unter anderem ließ er den umstrittenen Film des amerikanischen Regisseurs David Wark Griffith im Weißen Haus aufführen. In dem Streifen „Die Geburt einer Nation“ wird der Ku-Klux-Klan verherrlicht. Der einstige Professor befand sich auch als Präsident der größten Nation der freien Welt auf dem Argumentations-Niveau seines Vaters, der einst Sklaven in seinem Haus beschäftigte.
Ein knapper Sieg bei der Wahl und der Untergang der „Lusitania“
In den ersten Jahren des Ersten Weltkriegs empfand Woodrow Wilson uneingeschränkte Sympathien für eine Politik der Neutralität. Damit bewegte er sich im Gleichklang mit der Mehrzahl der amerikanischen Wähler, die ihn 1916 in seinem Amt bestätigten. Er setzte sich gegen den Republikaner Charles Evans Hughes, der als Richter am Obersten Gerichtshof der USA zahlreiche Korruptionsfälle aufgedeckt hatte, nur knapp durch. Seinen 277 Wahlmänner-Stimmen standen 254 für Hughes entgegen. Entscheidend für den Ausgang der Präsidentenwahl war offenbar ein Slogan der Demokraten, der da lautete: „Er hielt uns vom Krieg fern“. Doch schon bald kippte die Stimmung in den Vereinigten Staaten, denn die U-Boote des Deutschen Kaiserreichs sorgten für eine neue Eskalation in diesem Krieg. Als das Passagierschiff „Lusitania“ im Mai 1915 irrtümlich versenkt wurde und hundert Amerikaner ihr Leben verloren, war dies gleichbedeutend mit der Kriegserklärung der USA an Deutschland.
Der vierzehn Punkte umfassende Plan des amerikanischen Präsidenten
Im November 1918 unterzeichneten die Deutschen das Abkommen eines Waffenstillstands – und nun begann die große Zeit des Diplomaten und Weltfriedens-Stifters Woodrow Wilson. Auf der Suche nach einem dauerhaften Frieden war der amerikanische Präsident bemüht, eine liberale neue Weltordnung zu schaffen. Der Erste Weltkrieg hatte zu großen Verlusten geführt und das Gleichgewicht der Mächte in Europa zerstört. Alle beteiligten Kontrahenten dieses Massensterbens waren kriegsmüde, und selbst der Papst in Rom beschwor die Gegner, dem „fürchterlichen Morden“ endlich ein Ende zu bereiten. Als dessen Lösungsvorschläge verpufften, schlug Wilson ein vierzehn Punkte umfassendes Programm vor. Es basierte auf das Recht der Völker zur Selbstbestimmung und auf der Einrichtung des Völkerbundes zur Verhinderung weiterer Kriege.
Woodrow Wilsons Sympathien für die kleinen Staaten in Europa
Dieses Papier des amerikanischen Präsidenten sollte die Welt auch als Antwort der demokratischen Führungsmacht auf die Bedrohung der Bolschewisten nach der Oktoberrevolution verstehen. Wilson entwarf ein Modell mit liberalen Leitbildern und nannte darin ganz präzise die territorialen Friedensziele nach dem Ersten Weltkrieg. So sollten Belgien und Nordfrankreich geräumt, Polen zu einem freien Staat und Elsass-Lothringen von Deutschland abgetrennt werden. Insbesondere empfand Wilson Sympathien für die kleinen Staaten in der Alten Welt – und deshalb propagierte er die Installierung eines Völkerbundes. Doch bei seinen detaillierten Vorstellungen zu einer Friedensordnung im Nachkriegs-Europa fand Wilson kaum Antworten, die ihn befriedigten. Zu groß waren die territorialen Widersprüche nach dem Gemetzel.
„Ich habe Deutschland immer verabscheut und bin nie dort gewesen“
Woodrow Wilson, der sich bereits in seinen jungen Jahren intensiv mit der europäischen Geschichte befasst hatte, wurden zwiespältige Gefühle gegenüber Deutschland nachgesagt. Einerseits hieß es aus historischen Quellen, er habe Otto von Bismarck stets bewundert, andererseits soll er gegenüber dem britischen Premier David Lloyd George im Juni 1914 in Versailles gesagt haben: „Ich habe Deutschland immer verabscheut und bin nie dort gewesen. Aber ich habe viele deutsche juristische Bücher gelesen. Sie sind weit entfernt von unseren Vorstellungen und haben mich in meinem Gefühl der Ablehnung bestärkt.“ Nach der Veröffentlichung von Wilsons 14-Punkte-Plan hofften die Deutschen auf einen milden Friedensvertrag. Doch nach den Forderungen der Siegermächte schlugen die vagen Sympathien gegenüber dem amerikanischen Präsidenten in Hass auf Wilson um. Auch in den USA schwand sein Rückhalt, denn der Kongress lehnte den mit dem Versailler Vertrag verbundenen Beitritt zum Völkerbund ab. Aber die zwischenstaatliche Organisation mit dem Sitz in Genf nahm am 10. Januar 1920 ihre Arbeit auf. Die USA beließen es bei einem Beobachterstatus.
Friedensnobelpreis und halbseitige Lähmung nach einem Schlaganfall
Doch Wilsons Idee und die Schaffung eines Völkerbundes verhallten nicht ungehört. Im Jahr 1919 wurde der amerikanische Präsident „für seine Verdienste um die Beendigung des Ersten Weltkriegs und die Gründung des Völkerbundes“ mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Dass er die Hegemonie der weißen Rasse beanspruchte und die Sklaverei rechtfertigte, fiel in der Begründung dieser Ehrung unter den Tisch. Bei Woodrow Wilson hatte sich inzwischen eine tiefe Enttäuschung eingenistet. Auch deshalb, weil er bei den Verhandlungen in Paris nicht die gleiche Bedeutung erlangte, wie einige andere Staatsmänner. Am 25. September 1919 erlitt er einen körperlichen Zusammenbruch und bald darauf einen Schlaganfall, der ihn halbseitig lähmte. Danach war er kaum noch in der Lage, seine Amtsgeschäfte zu führen. Einige Routineaufgaben wurden von seiner Frau Edith übernommen. Diese Situation führte im Jahr 1967 zum 25. Verfassungszusatz, der Regelungen für den Fall beinhaltet, wenn ein Präsident handlungsunfähig wird.
Nach der Präsidentschaft und Nachleben
Woodrow Wilson stand am Sarg seines Nachfolgers Warren G. Harding
Eine mögliche dritte Amtszeit, mit der Wilson einige Zeit geliebäugelt hatte, war nunmehr ausgeschlossen. Statt eines demokratischen Bewerbers wurde im November 1920 der Republikaner Warren G. Harding zum neuen Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt. Dieser starb unerwartet im August 1923, und Wilson stand am Sarg seines Nachfolgers. Es sollte sein letzter Auftritt in der Öffentlichkeit sein, denn auch er schloss am 3. Februar 1924 im Alter von 67 Jahren für immer die Augen. Wilson fand in der National Cathedral von Washington seine letzte Ruhestätte. Ihm zu Ehren wurden die Wilson-Talsperre in Alabama, eine Brücke über den Potomac River und das Kap Wilson an der nördlichen Küste Südgeorgiens benannt. Sein Bild wurde auch auf einen 100.000-Dollar-Schein abgebildet. Der wurde zwar gedruckt, kam aber nie in Umlauf. In Genf erinnert das Palais Wilson an den von dem amerikanischen Präsidenten gegründeten Völkerbund. Heute ist dies das Büro des UN-Hochkommissars für Menschenrechte. In Prag wurde eine Wilson-Statue enthüllt, und der Bahnhof an der Moldau heißt noch immer „Wilsonovo Nadrazi“.
Die Umbenennung der Eliteuniversität von Princeton
Doch zum Lebensbild dieses Mannes gehören auch die Rassismusvorwürfe während dessen Amtszeit. Im November 2015 forderte ein Zusammenschluss afroafrikanischer Studenten bei einem 32-stündigen Sitzstreik die Umbenennung der Woodrow Wilson School an der Eliteuniversität Princeton im Bundesstaat New Jersey. Daraufhin kam ein Kuratorium zu dem Schluss, dass Wilsons rassistischen Ideen und Aussagen ungeeignet seien, ihn zum Namenspatron zu machen. Die Wortführer forderten für die Bildungseinrichtung einen „integrativen und ehrlichen Umgang mit der Geschichte“ ein. Vor der Umbenennung hieß es: „Princeton ist Teil eines Amerika, das allzu oft Rassismus nicht beachtete und das Fortbestehen von Systemen zuließ, die schwarze Menschen diskriminieren“.
Häufige Fragen und Antworten
Wann starb Woodrow Wilson?
Am 3. Februar 1924 an den Folgen eines Schlaganfalls.
Wo wurde Woodrow Wilson ausgebildet?
Er besuchte diverse Privatschulen und studierte an der Princeton University.
Wann war Woodrow Wilson Präsident der USA?
Zwischen 1913 und 1921.
Was hat Woodrow Wilson vor seiner Präsidentschaft gemacht?
Er wirkte als Professor an der Wesleyan University in Middletown/Connecticut und war Gouverneur von New Jersey.
Woher kam Woodrow Wilson?
Er kam in Staunton/Virginia zur Welt und verbrachte seine jungen Jahre in Augusta/Georgia.