Wall Street
Wall Street: ein kleiner Straßenzug mit internationaler Bedeutung
Die Wall Street mitten im Herzen von New York City ist eine kleine Straße mit großer Macht. In keinem anderen Land der Welt gibt es eine Straße, die derartig mit dem dort herrschenden Geschäftsmodell verbunden ist, wie die Wall Street. Selbst Menschen, die nichts mit der Börse, Aktien und der Finanzwelt zu tun haben, kennen diesen international bedeutenden Straßennamen.
Die Wall Street in New York ist gerade mal einen Kilometer lang und der Name hört sich recht harmlos an. Übersetzt bedeutet dieser Mauerstraße. Es ist auch nicht die Straße selbst, die so wichtig ist, sondern die dort ansässige New York Stock Exchange, die New Yorker Börse. Wenn die Rede von den Geschäften der New Yorker Stock Exchange ist, dann sprechen die meisten Menschen von der Wall Street. Selbst ein Film des renommierten Regisseurs Oliver Stone aus dem Jahr 1987 trägt diesen Titel.
An der Wall Street ist jedoch nicht nur die New Yorker Stock Exchange ansässig, sondern eine ganze Finanzwelt, denn jede international renommierte Bank hat ein Büro oder gleich ein ganzes Bankhaus an der Wall Street. Allgemein wird dieser Ort auch mit dem in den USA tätigen Bank- und Finanzwesen in Verbindung gebracht.
Die New Yorker Stock Exchange ist die größte Wertpapierbörse weltweit mit dem international bedeutenden Dow Jones Index. Dieser ist vergleichbar mit dem deutschen Dax Index, jedoch deutlich wichtiger für das Geschehen auf den internationalen Finanzmärkten. Dieser kleine Straßenzug mit weltweiter Bedeutung zieht jedoch nicht nur Besucher aus der Finanzfachwelt an, sondern auch ganz gewöhnliche Menschen, für die das große Geld keine Rolle spielt.
Die Geschichte der Wall Street
Die Geschichte der New Yorker Wall Street geht bis auf den Anfang des 17. Jahrhunderts zurück. 1647 herrschten die Niederländer in New York, das damals treffend New Amsterdam hieß. Zu diesem Zeitpunkt war diese Gegend alles andere als zivilisiert.
Immerhin hatte dieses Städtchen bereits einen Gouverneur. Dieser hieß Peter Stuyvesant, der damals allerdings nichts mit dem Zigarettengeschäft zu tun hatte. Er wollte mehr Sicherheit für die Einwohner New Amsterdams, denn die Ureinwohner Amerikas, die Indianer, überfielen immer wieder weiße Siedlungen, da sie nicht immer mit den Kolonisten in einer Meinung waren, was ihre Lebensumstände anging.
Zum Schutz vor den Rothäuten ließ der holländische Gouverneur einen Wall auf dem Gebiet des heutigen Manhattans aufschütten. Auf diese Weise belieben die Indianer draußen, die Siedler drin und das Leben wurde zumindest teilweise sicherer. Wenig später wurde entlang dieses Walls eine Straße erbaut, die allerdings noch weit entfernt von den baulichen Begebenheiten war, die wir heute mit einer Straße in Verbindung bringen. Aber immerhin, New Amsterdam hatte jetzt eine Straße und die Wall Street war geboren.
Jetzt hatte man eine neue moderne Straße in New Amsterdam, den Wertpapierhandel kannte man jedoch noch nicht. Erste Tätigkeiten, die im weitesten Sinne mit Finanzen und Handel zu tun hatten, entwickelten sich jedoch schon bald. So fanden in der Wall Street die ersten Sklavenmärkte statt und auch der Handel mit Waren war bereits bekannt.
Nach dem Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg wurden die Vereinigten Staaten von Amerika gegründet und George Washington der erste Präsident. Die neue Regierung überlegte, wie die Kosten dieses Krieges am besten zu bewältigen sein würden. Schließlich entschied man sich dafür, Staatsanleihen im Wert von 80 Millionen Euro auszugeben. Mit diesem öffentlichen Handel der Kriegsanleihen war das Konzept des Wertpapierhandels geboren.
Der erste Finanzminister der USA, Alexander Hamilton, war auch gleichzeitig der Gründer der ältesten Bank Amerikas, der Bank of New York. Ein Geschäftspartner Hamiltons war der Bodenspekulant William Duer. Als dieser bankrott ging, war das Geschäftsmodell der Bank jedoch ernsthaft bedroht.
Hamilton kaufte die Papiere der Bank zurück, um die Kurse zu stabilisieren. Die Bank war vor der Insolvenz gerettet und 1792 wurde der erste Anteilsschein der hier ansässigen Bank ausgegeben. Der Grundstein für die Aktivitäten der New Yorker Aktienbörse wurde an der Wall Street Nummer 68 gelegt. In diesem Haus unterzeichneten 24 New Yorker Broker das Buttonwood Agreement, das Richtlinien für den Handel mit Wertpapieren vorgab.
Der Handel in der Wall Street startete mit fünf Wertpapieren, schon bald trafen sich die Broker jedoch zu zwei Sitzungen in der Woche. Bereits zu diesem Zeitpunkt kannte man das Prinzip des Wertpapieraufrufs und der damit verbundenen Angebotsabgabe.
Die Börse ist keine moderne Erfindung aus dem 20. Jahrhundert
Bereits seit 1817 kennt diese Organisation feste Regeln. In diesem Jahr quartierte sich das neu gegründete New York Stock & Exchange Board in der Wall Street ein. Schon bald setzte sich eine neue Erfindung namens Eisenbahn durch. Bis zur endgültigen Verlegung der Schienen sollte es zwar noch etwas dauern, 1830 gingen an der Wall Street jedoch die ersten Eisenbahnaktien an die Börse.
Zu diesem Zeitpunkt gab es bereits 80 Millionen gelistete Aktien. Der 16. und 17. Dezember 1835 waren nicht nur für die Wall Street, sondern für ganz New York schwarze Tage. Ein Großbrand mit verheerenden Ausmaßen zerstörte fast die ganze Stadt. Schon damals zeigten sich die Finanzleute jedoch fähig, auf bestimmte Ereignisse umgehend zu reagieren.
Schnell fanden sich Ausweichquartiere. An so mancher Stelle fand der Aktienhandel sogar auf den Straßen statt, der jedoch ein Jahr später untersagt wurde. Die erste große Finanzblase platze am 10. Mai 1837 in New York. Hauptgrund für diese Panik war die Entscheidung der Regierung, die Konvertibilität von Papiergeld in Silber und Gold einzustellen. Ab 1844 reformierte die bahnbrechende Erfindung des Telegrafen den Wertpapierhandel. Zum ersten Mal konnten nicht in New York ansässige Investoren und Händler am Aktienhandel in der Wall Street teilnehmen.
Geldgier und Spekulationswut
In den nächsten Jahrzehnten erlebten die Wertpapierhändler in diesem modernen Finanzzentrum ein stetiges Auf und Ab, Erfolge und Misserfolge reihten sich schnell aneinander. Der Zusammenbruch der Ohio Life & Insurance Trust Company im August 1857 endete in einem Börsenkrach und löste eine Weltwirtschaftskrise aus.
Mit der Verlegung des ersten transatlantischen Telefonkabels erfolgten ab 1866 wieder erfreulichere Zeiten für die Wall Street. Die Kommunikation mit dem zweiten international bedeutenden Finanzzentrum London war nun möglich. Die Broker konnten durch das Einholen von Tagespreisen den Handel beschleunigen. Ab November 1867 arbeiteten die Wertpapierhändler mit dem Börsenticker.
Im Mai schloss sich die New York Stock Exchange mit dem Open Board of Brokers zusammen. In den nächsten dreißig Jahren bis zur Jahrhundertwende sollte die Wall Street noch etliche Krisen durchmachen, die zeigen, Geldgier und Spekulationswut sind keine Erfindung der Neuzeit. Mehre Bankinsolvenzen, darunter die von Jay Cooke & Company und der Marine National Bank, führten zu mehr oder weniger starken Finanzkrisen. Spekulationen mit Landgrundstücken und Eisenbahngeschäften arteten schließlich dermaßen aus, dass der Börsenhandel der NYSE vom 20. bis zum 29. September 1873 eingestellt wurde.
Bank- und Unternehmenspleiten
1884 ging die Metropolitan Bank in Konkurs, als bekannt wurde, dass der Präsident der Second National Bank Wertpapiere in Höhe von drei Millionen US-Dollar unterschlagen hatte. Selbst professionelle Investoren verloren den Überblick. Es wurde Zeit für effektive Gegenmaßnahmen, um dieser Spekulationswut Einhalt zu gebieten. Schließlich führte Charles Dow den ersten verbindlichen Aktienindex, den Dow Jones Index, ein, das bis zum heutige Tage wichtigste Trendbarometer für die Entwicklung von Aktienkursen.
Mehrere Krisen folgten, als große Unternehmen wie die Philadelphia Reading Railroad unter Zwangsverwaltung gestellt wurden, der Silberpreis einbrach und die Goldreserven auf einen historischen Tiefstand schrumpften. Die ersten 15 Jahre des 20. Jahrhunderts kannten dasselbe Auf und Ab an den Börsenmärkten. 1903 zog die New Yorker Wertpapierbörse in die Wall Street Nr. 11 um.
Während des ersten Weltkrieges blieb die Börse 1914 für vier Monate geschlossen. Am 4. Oktober 1916 veröffentliche das Wall Street Journal zum ersten Mal einen Dow Jones Index mit 20 Unternehmensaktien. Im Oktober 1928 wurde der Dow Jones Index auf dreißig Aktien erhöht.
Weltwirtschaftskrise und Große Depression
Am 24. Oktober 1929 brach die bis dahin größte Weltwirtschaftskrise aus. An dem sogenannten Schwarzen Donnerstag gewann der Bärenmarkt die Oberhand, denn die Aktienkurse stürzten ins Bodenlose. Viele Investoren, Unternehmer und Banken waren am Ende des Tages hoch verschuldet. Viele Betroffene beendeten an diesem Tag ihr Leben freiwillig. Die USA erlebten für viele Jahre die sogenannte Große Depression, die einen großen Teil der Bevölkerung in Armut, zumindest jedoch in prekäre Lebensumstände stieß.
Mit Amtseinführung von Franklin D. Roosevelt 1932 wurden mehrere Bankfeiertage eingeführt, in der der Handel an der Wall Street stillstand. 1938 machte die New York Stock Exchange unfreiwillig Negativschlagzeilen, als ihr früherer Präsident Richard Whitney wegen Geldunterschlag und Kundenbetrug verhaftet wurde.
Die NYSE steht für Macht, Aufstieg und Erfolg
Seit dem 31. Dezember 1965 sind alle an der NYSE geführten Unternehmen im NYSE Composite gelistet. 1979 wurde die Tochtergesellschaft New York Futures Exchange gegründet. Den historisch schlechtesten Handelstag erlebte die Wall Street am 19. Oktober 1987, als der Dow Jones Average innerhalb weniger Stunden um 22,6 Prozent nachgab.
Die Anschläge vom 11. September 2001 trafen die Wertpapierbörse hart, denn die Wall Street befand sich mitten im Epizentrum und musste evakuiert werden. Zahlreiche Unternehmen verloren Mitarbeiter und Geschäftsfreunde.
Seit 2008 besteht eine Handelskooperation mit dem ehemals größten Konkurrenten, der NASDAQ. Am 8. März 2006 ging die New Yorker Wertpapierbörse nach 214 Jahren selbst an die Börse. Im Januar 2008 erfolgt die Übernahme der American Stock Exchange. Während der internationalen Finanzkrise ab 2009 büßte der Dow Jones zeitweise mehr als 50 Prozent ein.
Das Gebäude der New Stock Exchange im klassizistischen Baustil steht für Macht, Aufstieg und Erfolg. Seit Juni 1978 ist das Gebäude in der Liste der National Historic Landmarks eingetragen. Der schmucklose Eingang der New York Stock Exchange befindet sich ironischer Weise in der Wall Street, während sich die bekannte, säulengeschmückte griechische Tempelfassade an der Broad Street, einer Querstraße, befindet.
Wer in New York ist, muss die Wall Street besuchen
Ein beliebtes Fotomotiv ist der „Charching Bull“ im Bowling Green Park. Was hat ein Bulle mit der Finanzwelt zu tun? Der Bulle ist ein wichtiges Symbol für die Börsianer und die Finanzwelt, denn er steht für steigende Kurse, also für Gewinn, Aufstieg und Optimismus.
Das Gegenstück ist der Bär. Er steht für fallende Kurse und ist daher das Symbol für Verlust, Misserfolg und Pessimismus. Aus diesem Grund sucht man den Bären an der Wall Street vergeblich, denn hier will man von Misserfolg, sinkenden Kursen und Pessimismus nichts wissen, und wenn die Finanzgeschäfte auch noch so schlecht laufen.
Die Wall Street befindet sich in Manhattan und damit mitten im Herzen von New York. Von hier aus sind es nur wenige Gehminuten zum One World Trade Center, der Gedenkstätte für die Opfer der Anschläge vom 11. September 2001. Besucher, die gerne mal einen Blick von oben auf die Wall Street werfen möchten, können mit dem Aufzug im Gebäude des One World Trade Centers auf die Aussichtsplattform fahren. Von dort aus genießen die Besucher einen unvergesslichen Panoramablick auf Manhattan.